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Hannah, 35 Jahre alt, möchte Klavier spielen lernen. Sie hat sich im Internet einen Lehrer rausgesucht, telefoniert und macht sich heute auf den Weg zu ihrer allerersten Stunde.
Nach einer kurzen Begrüßung fragt sie der Lehrer, warum sie denn Klavier spielen lernen möchte und was ihr Ziel sei für die nächsten Monate. Hannah braucht nicht lange zu überlegen.
„Oh, ich möchte in ziemlich genau einem Jahr ein Klavierkonzert geben in der Philharmonie. Deswegen bin ich hier.“
Klingt absurd? Irgendwie schon. Und doch begegne ich diesem Anspruch immer wieder. Nicht beim Klavier spielen, aber beim Schreiben.
Ein anderes Beispiel:
Vor einigen Jahren habe ich beschlossen, mich dem Masterstudium des biografischen und kreativen Schreibens zu widmen. Wem auch immer ich das in meinem Freundes- und Bekanntenkreis erzählt habe – die Reaktion war oft die Selbe. „Ach, danach bist du dann Schriftsteller? Lernt ihr da, ein Buch zu schreiben?“
Was folgte, war eine mehr oder minder elegante Erklärung meinerseits, dass es in dem Studium nicht darum ginge, Schriftsteller zu werden. Die Vorstellung, dass man sich mit voller Aufmerksamkeit dem Schreiben widmen kann, ohne dass das Ziel ein Buch ist, schien vielen erstmal neu zu sein.
Doch brauche ich beim Schreiben wirklich immer ein Ziel?
Oder besser gefragt – muss das Ziel immer die Entstehung eines Buches sein? Denn ziellos schreiben, das klingt auch irgendwie unmöglich.
In meinem Blogartikel über das, was Kreatives Schreiben sein kann, habe ich einige Punkte aufgelistet, die – wenn man sich ihnen intensiver widmet –weitere Ziele sein können. Kreativitätsförderung, Persönlichkeitsentwicklung und Achtsamkeit sind nur ein paar davon und legen ihren Fokus mehr auf den Schreibprozess als auf das Ziel. Der Weg ist hier das Ziel – von daher auch nicht ziellos.
Und dann gibt es aber auch noch die Menschen, die einfach ‚nur‘ aus Spaß am Schreiben schreiben. Die sich entspannt zurücklehnen können, in selbstgestaltete Geschichten ein- und auftauchen können und sich mit viel Freude am Spiel einzelnen Übungen hingeben. Man kann Schreiben zu dem machen, was übrig bleibt, wenn mal sämtliche schnellen Ziele weggelassen werden: Ein Hobby. Mit all seinen zahlreichen Vorzügen.
Und wie bei jedem Hobby geht es auch beim Schreiben darum, Zeit und Geduld zu investieren. Es gibt Techniken zu erlernen. Und Stile zu explorieren. Ich habe z.b. erst im Studium im Lyrikmodul entdeckt, wie sehr ich das Gedichte schreiben mag – hätte ich nicht gemusst, hätte ich mich wohl nie daran getraut.
Es gilt, ‚Fehler‘ zu machen und richtig schlechte Texte zu schreiben. Es gibt Wörter wiederzufinden und neu zu erfinden. Und sich selber kennenzulernen. Inklusive Schreibroutine. Wie und wo kann ich am besten schreiben? Wann kommt die Inspiration? Wie kann ich sie gezielt abrufen? Bin ich der Morgen- oder der Abend/Nachtsschreibtyp?
Oder man will sich all diese Fragen gar nicht stellen und einfach nur schreiben, weil es einen erfüllt, aus dem Nichts Worte aufs Papier zu zaubern. Oder man nutzt das Hobby ‚Schreiben‘ als das, wozu andere Hobbies auch dienen: Als Auszeit vom Alltag.
Natürlich ist es möglich, sich hinzusetzen und ohne Vorerfahrung ein komplettes Buch zu schreiben, auch wenn man noch kaum Erfahrung mit dem eigenen Schreibstil gesammelt hat.
Oft genug endet dies jedoch in Verzweiflung und Schreibblockaden. Oder in Büchern, die keiner lesen will – um es mal hart auszudrücken. Was auch wieder kein Problem ist, wenn es für einen selber keins ist.
Ich persönlich denke jedoch – wenn man von Anfang an zu sehr auf sein Ziel fokussiert ist, kann einem sehr schnell etwas ganz Essentielles verloren gehen – nämlich die Freude am Schreiben und das Wissen darum, wie vielschichtig es sein kann.